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Biographien

Villinger und Schwenninger Schicksale

Viele der bisher in den Mahnwachen verlesenen Schicksale von Opfern des Nationalsozialismus in Villingen und Schwenningen sind hier, oder über die linke Seitenleiste auswählbar.

Alphabetisch geordnet






Edith Boss (16.11.1904-?)

Edith Boss und ihre Familie hat im Haus Obere Str. 1 gewohnt. Ihr Vater Joseph Boss hatte in diesem Gebäude ein Geschäft.
Edith Boss wurde am 16. 11.1904 in Offenburg geboren. 1910 kam sie mit ihren Eltern Berta und Joseph Boss sowie ihren zwei Geschwistern nach Villingen.
Joseph Boss wurde 1868 in Oberschlesien geboren. Er war von Beruf Kaufmann. Ihm gehörte bis 1936 das Damen- und Mädchenkonfektionshaus in der Oberen Str. 1. Es war mit seinen 8-10 Angestellten eines der großen Kaufhäuser der Stadt, das in der damaligen Tageszeitung, dem Villinger Volksblatt, Ende der zwanziger Jahre mit sehr großen Werbeanzeigen oder besonderen Aktionen Aufmerksamkeit erregte. So wurden die Villinger Bürger Samstag und Sonntag von 15-18 Uhr zu einem Frühjahrskonzert aus dem historischen Erker eingeladen. Oben spielte eine Blaskapelle und die Fenster wurden dazu geöffnet - unten hörten die Bürger zu. Es gab auch mindestens einmal einen verkaufsoffenen Sonntag im Kaufhaus Boss, wie im Villinger Volksblatt zu lesen war.
Joseph Boss wurde von Freunden als tüchtiger, fleißiger und bescheidener Geschäftsmann beschrieben.

Edith hatte zwei Brüder. Ihr Bruder Adolf, 1903 geboren, wanderte 1934 nach London aus. Der 1906 geborene Erwin Boss wohnte zunächst im elterlichen Haus in der Oberen Str. 1 und zog später in eine Mietwohnung in der Weiherstr. 49.
Edith besuchte 1917 und 1918 die St. Ursula - Schule. Sie wurde von einer Freundin als fröhliche, sehr humorvolle und unternehmungslustige Person beschrieben. Sie gehörte dem Villinger Schwimmclub an und besuchte das Schwimmbad solange es Juden in Villingen noch erlaubt war. Am 15.11.1935 wurde sie polizeilich nach Karlsruhe abgemeldet. Ihr Vater verkaufte 1936 das Haus und zog mit seiner Frau nach Stuttgart um. Sohn Erwin folgte ihnen im Februar 1936.

Edith Boss heiratete in Karlsruhe Wilhelm Seufert, einen Ingenieur bei der Freiburger Motorwagengesellschaft. Bei einer Schwangerschaft ergaben sich gesundheitliche Probleme. Eine Operation führte nicht nur zur Fehlgeburt, sondern auch zur Unfruchtbarkeit von Edith Seufert. Ihre Ehe wurde bald darauf geschieden. Vermutlich ist sie danach nach Stuttgart gezogen. Nach Kriegsbeginn wurde sie verhaftet und in den Osten deportiert. Im Polizeigefängnis von Salapils bei Riga im heutigen Lettland sah sie ihren Bruder Erwin wieder. Männer und Frauen wurden dort in getrennten Lagern inhaftiert. Obwohl es ihr gelang, ihrem Bruder Nahrungsmittel zukommen zu lassen, ist er 1942 verhungert. Nur durch ihren großen Überlebenswillen und -kampf hat Edith Boss die Zeit der Inhaftierung überstanden.
Ihr Vater Joseph Boss ist bereits 1939 in Stuttgart gestorben. Ihre Mutter Bertha wurde nach Kriegsbeginn zunächst nach Theresienstadt deportiert und kam von dort nach Maly Trostinec, einem KZ bei Minsk in Weißrussland. Dort starb sie bereits 1941. Die meisten Juden in diesem Lager wurden erschossen oder starben in einem Gaswagen.

Das Schicksal der Familie von Edith Boss wird hier beleuchtet.