Ihre Browserversion ist veraltet. Wir empfehlen, Ihren Browser auf die neueste Version zu aktualisieren.
Biographien

Villinger und Schwenninger Schicksale

Viele der bisher in den Mahnwachen verlesenen Schicksale von Opfern des Nationalsozialismus in Villingen und Schwenningen sind hier, oder über die linke Seitenleiste auswählbar.

Alphabetisch geordnet






Bertha Schwarz (01.01.1863-01.04.1943)

Familie Schwarz in der Gerberstrasse 33, um 1939

Bertha Schwarz ist 1863 als Bertha Fröhlich in Rexingen bei Horb geboren; ein Teil ihrer Vorfahren lebten schon Anfang des 18. Jahrhunderts in Rexingen (also vier Generationen früher), andere kamen aus umliegenden Orten, Haigerloch, Baisingen. Rexingen war bis ins 20. Jahrhundert ein Ort mit sehr hohem jüdischen Bevölkerungsanteil.

1888 hat Bertha Fröhlich ihren Mann Louis Schwarz geheiratet, der ebenfalls aus einer alten Rexinger Familie stammte. Bertha hat sechs Kinder geboren; das erste Kind mit 26 Jahren, das Jüngste mit 40 (zwischen erstem und fünftem Kind liegen knapp sieben Jahre, zwischen fünftem und sechsten Kind sechs Jahre). Die ersten fünf Kinder kamen in Rexingen zur Welt, das Jüngste, Julie, in Villingen.

1898 ist Bertha Schwarz mit ihrem Mann nach Villingen gezogen. 1903 wurden sie in den badischen Staatsverband aufgenommen (Rexingen war württembergisch gewesen). Louis ging seinem Beruf als Viehhändler nach; sie hat die sechs Kinder großgezogen.

1934 ist Louis Schwarz gestorben und Bertha war Witwe. Von ihren Kindern wohnten jetzt noch zwei in Villingen, Julius war 1920 nach München gezogen, Sophie 1921 nach Karlsruhe, Jakob und Max 1922 nach Lahr. 1913 hatten Bertha und Louis Schwarz ihr gemeinschaftliches Testament gemacht, in dem sie sich gegenseitig zu Alleinerben eingesetzt hatten. So erbte Bertha ein großes Grundstück, das sie 1935 an die Stadt verkaufte, weil dort Kasernen gebaut wurden. Und sie hatte in der Gerberstraße 33 ein Wohnrecht in einer 3-Zimmer-Wohnung im oberen Stock.

Die Söhne hatten erfolgreiche Geschäfte aufgebaut, Jakob als Elektrohändler in Lahr, Max und Julius mit einem Früchtegroßhandel in Karlsruhe und Hugo als Viehhändler in Villingen; und die Familien hielten zusammen, die Enkel Berthas berichteten immer wieder von Besuchen in Karlsruhe. Eigentlich die Grundlage für ein geruhsames Leben.

Was findet sich sonst noch in den Akten?

Lediglich eine Unterlage, dass sie zweimal nicht an den Reichspräsidentenwahlen teilgenommen hat. Und dann die Unterlagen aus den Entschädigungsverfahren.

Am 22.10.1940 wurde Bertha Schwarz mit anderen Villinger jüdischen BürgerInnen verhaftet und nach Gurs in Südfrankreich deportiert. Inzwischen war sie 77 Jahre alt. Im März 1943, mit 80 Jahren, stirbt sie im Lager Gurs.

In Schwenningen bemühte sich Herr Kaiser, über seine geschäftlichen Amerika- Kontakte Ausreisegenehmigungen zu bekommen. Aus den Briefen, die aus dem Lager Gurs von Bertha, Hugo, Irma und Julie Schwarz geschrieben wurden, wissen wir, dass sie alle die Hoffnung hatten, dass die Verwandten in Amerika Ausreisebewilligungen beschaffen könnten, drei Söhne und die Tochter Sophie hatten rechtzeitig auswandern können; aber die Zeit war zu kurz, bis diese sich in USA und in Argentinien eine Existenz aufgebaut hatten.

In den Entschädigungsunterlagen findet sich kaum etwas zum Leben von Bertha Schwarz. Sie hatte 1937 noch ein Sparguthaben von knapp 4.000 RM und hat 1938 für 1.000 RM Wertpapiere verkauft. Aber die Auseinandersetzung wird nur darüber geführt, ob der Grundstücksverkauf 1935 freiwillig erfolgte oder verfolgungsbedingt; es heißt da u.?a. „Der Vortrag der Klägerin, das Grundstück sei veräußert worden, um auswandern zu können, vermag nicht zu überzeugen. Die Erblasserin ist in der Folgezeit nicht ausgewandert. Daß dafür Schwierigkeit bei der Beschaffung der erforderlichen Dokumente maßgebend geworden sind, ist nicht wahrscheinlich. Wenn die Erblasserin sich bereits im März 1935 um ihre Auswanderung bemüht hat, ist nicht möglich, daß ihre Bemühungen bis zum Jahr 1940 erfolglos geblieben sein sollen. Die Kammer ist vielmehr der Überzeugung, daß die Erblasserin ihr Grundstück im Zuge des Geländeankaufs durch die Stadt verkaufte und erst später den Entschluss zur Auswanderung fasste. Dafür spricht auch, dass die Erblasserin nach Verkauf des Grundstückes im Besitz von finanziellen Mitteln war, die ihr eine Auswanderung ohne weiteres vor ihrer Deportation nach Gurs im Oktober 1940 erlaubt hätten.“ Für das verlorene Vermögen wird deshalb den Kindern und Enkeln keine Entschädigung gezahlt. Wenn man die Ausführungen des Gerichts liest, wundert man sich, wie einfach die Emigrationsbemühungen im Nachkriegsdeutschland beurteilt wurden.