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Biographien

Villinger und Schwenninger Schicksale

Viele der bisher in den Mahnwachen verlesenen Schicksale von Opfern des Nationalsozialismus in Villingen und Schwenningen sind hier, oder über die linke Seitenleiste auswählbar.

Alphabetisch geordnet






Berthold u. Georgine Haberer (13.02.1882-07.01.1942)

Berthold Haberer

13.02.1882-07.01.1942

Familie

  • Es waren 8 Geschwister
  • Berthold war der jüngste. Alle 9 Kinder sind in Offenburg geboren
  • Die meisten Geschwister verließen Deutschland vor dem 1.Weltkrieg, nach Südafrika, nach England und nach USA
Am 16.3.1925 von Offenburg nach Villingen gezogen; Ehefrau 25.10.1927 von Aurich nach Villingen gezogen

Heirat
25.10.1927 in Aurich mit Georgine geb. Sekels

Kinder:
Josef Haberer, geb. 21.10.1929 in Villingen

Religion
Nach Erinnerung von Joseph H. war Berthold Haberer nicht sehr religiös (Georgine war es mehr; sie brachte ihrem Sohn das hebräische Alphabet bei; sie hatte ein Gebetbuch). Berthold und Georgine erklärten ihrem Sohn nicht, was es heißt Jüdisch zu sein. Aber Joseph weiß von einer gewissen Religiosität seines Vaters: Der Vater trug am Versöhnungstag den weißen Mantel, den orthodoxe Juden bei feierlichen Anlässen tragen und in dem sie beerdigt werden.
Sie gingen in die Betstube in der Gerberstr.
Ein Villinger erinnert sich: ab und zu musste man bei Haberers am Samstag Feuer oder Kerzen anzünden; er hat das auch gemacht. Dann bekam man Mazzen.
Ein Ereignis aus dem Jahr 1929 könnte allerdings ein Hinweis sein, dass die Familie orthodox war: Die Landtagswahl fiel im Oktober auf einen Feiertag, bei dem streng religiösen Juden das Schreiben verboten war; als einzige der Villinger Juden nahmen Haberers die Ausnahmegenehmigung für streng religiöse Juden in Anspruch.

Beruf
Beruf: Kaufmännischer Angestellter
Auch in der Weimarer Zeit waren nur 0,5% der Beamten Juden (5000), also weniger als die Hälfte ihres Bevölkerungsanteils. Als Jude Beamter zu sein war also nichts Gewöhnliches

Beim Finanzamt tätig 6.11.1914 - 30.6.1933 (Gehalt bis Ende Sept. 1933)
(Bezüge entsprechen einer Einordnung in Beamtengruppe des einfachen Dienstes)
Von Villingern die Familie als recht arm in Erinnerung, auch vor der Entlassung von Berthold H. im 3. Reich.

Wohnung: 1 Schlafraum für Berthold und Georgine, 1 großer Wohnraum mit Ofen in der Mitte, 1 kleiner "kitchen alcove", kein Bad, kein fließendes Wasser, Toilette sehr primitiv

Verhalten
Nach Erinnerung von Joseph Haberer war sein Vater körperlich schwach, sodass er nicht im 1. Weltkrieg eingezogen wurde
Berthold H. mochte Operetten; er war insgesamt distanziert und krank und sprach nach der Erinnerung seines Sohnes nicht viel
Frau Haberer war freundlich, Herr Haberer auch, aber sie waren sonst verschlossen -
Joseph erinnert sich nicht an einen sozialen Kreis der Eltern.

Berthold Haberer kam am 7. Januar 1942 in Gurs ums Leben.

Quellen: Städtisches Archiv Villingen-Schwenningen, Veröffentlichungen und Vorträge von Josef Haberer; Entschädigungsunterlagen s. Staatsarchiv Freiburg
Detaillierte Quellenangaben über Heinz Lörcher Lö 22.12.2013

Georgine Haberer

21.11.1893-10.08.1942

Familie
geb. 21.11.1893 in Aurich

  • Aurich hatte eine kleine jüdische Gemeinde (vielleicht 50 - 60 Personen)
  • Mutter hatte zwei Geschwister - eine Schwester konnte 1936/37 emigrieren, die andere Schwester wurde mit ihrem Mann wurde ebenso wie die Mutter von Georgine in Auschwitz umgebracht.
  • der Großvater hatte ein kleines Geschäft in Aurich, - Josef war mit der Mutter einmal in Aurich (1936/37) und hat dort Opa und Großmutter gesehen.
  • eine Schwester der Mutter heiratete in Aurich einen Geschäftsmann und sie war eine gute Geschäftsfrau. Sie wusste, dass man nach 1933 aus Deutschland weggehen musste, und deshalb ging sie 1936/37 mit ihrem Mann nach Oakland/USA. Als Josef H. 1946 aus England in die USA übersiedelte, war er zuerst bei ihnen.
  • eine andere Schwester der Mutter heiratete (ca 1920/1921) nach Konstanz. Ihr Mann, Halpern, war Kantor in der Synagoge. Er kam aus dem Osten (Polen) und kam 1921 nach Deutschland. Im 3. Reich gingen sie nach Belgien und kamen dann nach Auschwitz und wurden dort umgebracht. Sie hatten zwei Kinder: eine Tochter ging im 3. Reich in die Schweiz; der Sohn ging, 14-jährig, in die USA und versuchte dort ein Affidavit für die Eltern zu bekommen, aber das war nicht möglich. Nach dem 2. Weltkrieg gingen die beiden Geschwister nach Rochester.
  • Die Großmutter ging von Aurich nach Krefeld. Sie kam im 3. Reich in den Osten und wurde dort umgebracht.

Georgine H. hatte eine Ausbildung als Schneiderin und arbeitete vor der Heirat bei einer größeren Firma in Hamburg

3. 3. Reich:
1933 war B. Haberer 8 Jahre in Villingen.
Nach dem Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums vom 7.4.1933 wurde B. Haberer, wie alle "nicht-arischen" Beamten entlassen, er erhielt eine Rente (Joseph H. erinnert sich, dass er einmal wöchentlich mit seinem Vater auf das Amt ging, um das Geld zu holen). Nach Josephs Erinnerung war die Familie arm, litt aber nicht an Hunger. "Um finanziell über die Runden zu kommen, nahmen meine Eltern Eric Gabler auf, ein Kind von einer jüdischen Sozialvereinigung, das etwa 6 Monate alt war, als es zu uns kam."

Nach seiner Entlassung erhielt er noch erhielt Arbeit bei Rechtsanwalt Schloß, Luisenstr.
Nach der Entlassung von B. Haberer bemühte Georgine sich, eine selbstständige Schneiderwerkstatt in Villingen aufzumachen; wegen Boykotts als Jüdin gelang ihr das nicht.

letzte Anschrift in Villingen: Schlösslegasse 2 /Besitzer: Salomon Bloch/
Bertold und Georgine H. wurden mit den 2 Kindern Eric Gaber und Bella Kohn 22.10.1940 nach Gurs
Berthold H. 7.1.1942 in Gurs gestorben
Georgine H. kam von Gurs in das Lager Drancy und von dort am 10.8.1942 nach Auschwitz; dort wurde sie umgebracht

Bald nach der Deportation von Haberers wurde ihr Besitztum öffentlich versteigert.

Für Georgine H. erhielt Joseph: Haftentschädigung bis Aug. 1942 berechnet und nicht bis 8.5.1945 (weil angenommen wird, dass sie wegen ihres Alters bald nach ihrer Ankunft umgebracht wurde).

Quellen: Städtisches Archiv Villingen-Schwenningen, Veröffentlichungen und Vorträge von Josef Haberer; Entschädigungsunterlagen s. Staatsarchiv Freiburg
Detaillierte Quellenangaben über Heinz Lörcher Lö 22.12.2013