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Biographien

Villinger und Schwenninger Schicksale

Viele der bisher in den Mahnwachen verlesenen Schicksale von Opfern des Nationalsozialismus in Villingen und Schwenningen sind hier, oder über die linke Seitenleiste auswählbar.

Alphabetisch geordnet






Alice Schwarzländer, geb. Katz (01.01.1903-01.01.1986)

Alice Schwarzländer ist die Tochter des jüdischen Ehepaars Jakob und Johanna Katz. Wie ihr Bruder Willy wuchs sie in Rottenburg auf und besuchte die Schule. 1919 folgte der Umzug nach Villingen, wo die Familie in der Luisenstraße 9 wohnte. 1921 zogen sie dann von Villingen nach Schwenningen, weil der Vater dort Gesellschafter bei der Firma Oskar Müller wurde. Nach Augsburg ging es 1927, wo Alice 1930 den nichtjüdischen Verwaltungssekretär Friedrich Ernst Ludwig Schwarzländer heiratete. Dieser war am 9. September 1898 in Höchberg geboren. 1931 wurde ihr gemeinsamer Sohn Heinz geboren.

Anfang 1934 kehrte die restliche Familie nach Schwenningen zurück und bezog eine moderne Villa im englischen Jugendstil in der Mutzenbühlstraße 26.

Deportation von Alice Schwarzländer nach Theresienstadt

Alice Schwarzländer wurde, nachdem sie von ihrem "arischen" Ehemann geschieden war, am 12. Januar 1944 in das KZ Theresienstadt deportiert. Sie kam zwei Tage später dort an und wurde in der Langestraße 21 zwangseinquartiert. Sie hat die Deportation überlebt. Nach Kriegsende konnte sie am 24. Juni 1945 Theresienstadt verlassen.

Das KZ Theresienstadt wurde von den deutschen Besatzern in Terezín eingerichtet. Die Rolle Theresienstadts zwischen 1941 und 1945 hing eng mit den Plänen der Nationalsozialisten zusammen, dass "im Zuge der praktischen Durchführung der Endlösung der Judenfrage Europa vom Westen nach Osten durchgekämmt" werden sollte. Die Nationalsozialisten machten nach der Besetzung der Tschechoslowakei aus Terezín ein Konzentrationslager im von ihnen so genannten "Protektorat Böhmen und Mähren": 1940 wurde zunächst in der "Kleinen Festung" ein Gestapo-Gefängnis eingerichtet, im November 1941 entstand in der "Garnisonsstadt" ein Sammel- und Durchgangslager zunächst vor allem für die jüdische Bevölkerung des besetzten Landes. Nach der "Wannseekonferenz" wurden seit 1942 in das Lager auch alte oder als prominent geltende Juden aus Deutschland deportiert. In einer Beschreibung erinnerte sich ein Überlebender des KZ, wie sich Theresienstadt darbot:

"Die Häuserblocks sind alle von gleicher Größe, ebenso die Kasernen, und selbst die Grundrisse zeigen die gleiche Anzahl von Toren, Höfen, Rundgängen und Stiegenhäusern. Die Kasernen sind düstere alte Gebäude mit sehr primitiven sanitären Einrichtungen. Die große Mehrzahl der Wohnhäuser sind ebenfalls alte, einstöckige Bauten mit engen dunklen Hinterhöfen, ohne Gärten und Sonnenlicht."

Emigration in die USA

Alice Schwarzländer wanderte 1947 im Alter von 43 Jahren zusammen mit ihrem Sohn Heinz, der zu der Zeit 15 Jahre alt war, nach Amerika aus. Mit dem Schiff gelangten sie von Bremen nach New York in die Vereinigten Staaten. Das genaue Datum war der 21. Februar 1947. Die Überfahrt der Mutter und ihrem Sohn wurde von der HIAS(??) unterstützt.

Alice Schwarzländer heiratete in den Vereinigten Staaten ihren zweiten Mann Walter Philipp. Er war am 8. Januar 1897 in Hamburg zur Welt gekommen und ist am 1. Juli 1988 in Florida gestorben. Das Ehepaar Philipp hatte, soweit bekannt, keine Kinder. Alices Sohn Heinz Schwarzländer wurde Arzt.

Alice Schwarzländer hatte keine Kontakte mehr in Deutschland. Sie ist am 7. Juli 1986 in Winter Park in Florida gestorben. Ihr Grab ist im Glen Haven Memorial Park Cemetery.

"Wiedergutmachung": Verfahren gegen Familie Höfelmeier

Das Verfahren gegen die Familie Höfelmeier wurde von der Wiedergutmachungsbehörde Schwaben verwaltet. Der Grund für das Verfahren war die Tatsache, dass Alice Schwarzländer kurz vor ihrer Deportation dem mit ihr befreundeten Karl Höfelmeier persönliche Gegenstände und einen Teil ihres Hausrates zur Aufbewahrung gab. Es wurde in der Augsburger Ludwigstraße in einem Raum unter einem Decknamen gelagert. Die Familie Höfelmeier hatte aber nicht erwartet, dass sie aus dem Konzentrationslager zurückkommen würde, und sich verschiedene Gegenstände im Wert von 905 Reichsmark angeeignet. Als Alice Schwarzländer im Juni 1945 nach Augsburg zurückkam, bemerkte sie das Fehlen ihres Eigentums und verlangte Rückerstattung beziehungsweise Schadenersatz. Sie ließ ihren Anwalt mitteilen, dass sogar das selbst geschriebene und gemalte Märchenheft fehlte, welches ihr Sohn im Alter von acht Jahren gemacht hatte. Die Wiedergutmachungsbehörde verwies den Fall an die Wiedergutmachungskammer beim Landgericht Augsburg, da keine Einigung zustande kam. Im Beschluss der Wiedergutmachungskammer vom 7. Dezember 1951 wies diese die erhobenen Rückerstattungsansprüche gegen Karl Höfelmeier und seinen Angehörigen zurück. Sie sah es als nicht erwiesen an, dass die Familie die vermissten Gegenstände Alice Schwarzländers noch im Besitz habe oder sich zu einem früheren Zeitpunkt angeeignet hatte.

Verfahren gegen die Stadt Augsburg und das Deutsche Reich

Ein weiterer Teil ihres Hausrates und persönliche Gegenstände gelangten in den Besitz der Stadt Augsburg. Offensichtlich gab es bei diesem Verfahren der Wiedergutmachungskammer beim Landgericht Augsburg ebenfalls Komplikationen. Alice Schwarzländer ließ über ihren Anwalt Dr. Fraunholz mitteilen: "(...) aus den in der Nazizeit gemachten Fehlern der Behörden müssen die heutigen eben die Konsequenzen ziehen." Ihr gesamtes Mobiliar hätte ihrem Kind überlassen werden sollen, beziehungsweise, da dieser aufgrund der Deportation seiner Mutter bei seinem Vater blieb, zur Verwaltung seinem Vater übergeben werden müssen. Allerdings bekam der Sohn nichts, und was von den Gegenständen und dem Hausrat notwendig für ihn gebraucht wurde, musste der Vater käuflich erwerben.

"Ich will heute nur mein Recht, und es steht nicht zur Frage, ob mein Haushalt gebraucht wurde oder nicht, für mich war es mein wertvolles Eigentum", schrieb Alice Schwarzländer. Der Beschluss vom 30. Januar 1952 war, dass das Verfahren daraufhin getrennt wurde und der Antragsgegner nur die Stadt Augsburg war ohne das Deutsche Reich. Dem Rückerstattungsantrag gegen die Stadtverwaltung Augsburg wurde stattgegeben. Ihr wurde einen Schadenersatz von 2.549,50 DM zugesprochen. Am 11. September 1952 beantragte ihr Anwalt auch Rückerstattung vom Deutschen Reich. Diese wurde aber zurückgewiesen.