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Biographien

Villinger und Schwenninger Schicksale

Viele der bisher in den Mahnwachen verlesenen Schicksale von Opfern des Nationalsozialismus in Villingen und Schwenningen sind hier, oder über die linke Seitenleiste auswählbar.

Alphabetisch geordnet






Max Bikart (02.12.1889-10.12.1957)

Max Moses Bikart ist am 2. Dezember 1889 als zweitältester von insgesamt sechs Geschwistern in Gailingen geboren. Sein Vater Sigmund war Viehhändler; zwei Brüder von Max, Louis und Hermann, haben ebenfalls diesen Beruf ergriffen.

Als Max fünf Jahre alt war, sind seine Eltern von Gailingen nach Villingen gezogen. Die väterliche Viehhandlung wurde von Louis übernommen; Hermann betrieb seine Viehhandlung am Münsterplatz.

Max durfte als einziger von den Geschwistern studieren. Er studierte in Neuchatel in der Schweiz und wurde Zahnarzt in La Chaux-de-Fond/ Schweiz. Er kam nach Deutschland zurück, um am 1. Weltkrieg teilzunehmen; er war vier Jahre im Krieg.

Am 31. August 1920 haben Max Bikart und Martha Bloch in Villingen geheiratet. Max suchte eine Praxis in der Nähe von Villingen; seine Tochter Margot vermutete, als sie 1994 Villingen-Schwenningen besuchte, dass er nach Schwenningen zog, weil es dort nicht viele Zahnärzte gab.

Praxis, Wohnung und Labor waren in der Karlstr. 72. Zum Haus gehörte ein großer Garten; außerdem konnte der Nachbargarten mitbenutzt werden; das Nachbarhaus gehört ihm oder war von ihm gemietet. Die Ehefrau Martha arbeitete in der Praxis mit. Außerdem war dort noch ein – taubstummer – Laborant beschäftigt.

Max Bikart hatte guten Kontakt zu seinen Bergfreunden ; sie machten zusammen Bergtouren. Er war 1927 bei der Neugründung der Narrenzunft in Schwenningen beteiligt und war dort Beirat, zeitweise Leiter des Presseausschusses. 1930 hat er sich aus der vorderen Linie zurückgezogen. 1938 wurde er aus der Mitgliederliste gestrichen – aber die Narrenzunft hatte sich vorher geweigert, Auskunft zu geben, ob sie jüdische Mitglieder habe.

Drittes Reich

Bis 1937 hatte Max seine Praxis in Schwenningen. Auch nach 1933 kamen viele seiner Patienten noch zu ihm in die Behandlung. Ab 1934 war Max Mitglied im Verband jüdischer Frontsoldaten; es war die einzige jüdische Organisation in Villingen; Vorstand war Robert Gideon, der Schwager seiner Ehefrau Martha.

Nach Aussage seiner Tochter Margot wusste Max Bikart gleich, dass die Nazis gefährlich für die Juden waren. Er sagte schon 1933: jetzt kommen schlimme Zeiten für uns. Margot konnte nicht sagen, woher dieses Wissen kam, da ihr Vater nicht politisch gewesen sei.

Die Familie emigrierte 1937 nach Argentinien, weil ein weitläufiger Cousin der Mutter schon lange dort wohnte. Deshalb gingen auch die Vettern der Mutter, die Söhne von Salomon Bloch, nach Argentinien.

Vor der Emigration war Max schon dreimal in Argentinien gewesen, um die Emigration vorzubereiten. Beim ersten Mal fand er in einer argentinischen Zeitung ein Inserat, dass ein Herr Schröder sein Haus in Argentinien abgeben wolle und im Tausch dafür ein Haus in Deutschland suche. Max Bikart nahm diesen Häusertausch vor; allerdings war das Haus in Argentinien klein. Dann ging der Vater mit der Familie nach Argentinien, damit sie sich vor der Emigration die neue Situation anschauen konnten.

Als Max Bikart 1936 von Argentinien nach Deutschland zurückkam, wurde ihm in Deutschland der Pass abgenommen. Mithilfe seiner Bergfreunde in Schwenningen bekam er ihn wieder; aber sie warnten ihn, dass er bald gehen solle, obwohl sie es persönlich bedauern würden.

Bei der Emigration durfte kein Geld mitgenommen werden, lediglich Gegenstände. Deshalb kaufte die Familie Bikart in Schwenningen noch eine ganze Menge (Uhren, Fotoapparate usw.).

Max Bikart wusste, dass er in Argentinien nicht als Zahnarzt praktizieren konnte. Er wollte ein Zahnlabor aufbauen, aber "alles ging schief” (Bestimmungen usw. waren anders als in Deutschland). Er ist früh gestorben, weil er in Argentinien nicht Fuß fassen konnte. Die Familie lebte wesentlich von dem, was er in der Schwenninger Zahnarzttätigkeit aufgebaut hatte.

Nach dem Tod des Vaters lebte die Mutter v.a. von den "Entschädigungszahlungen" (Wiedergutmachung) aus Deutschland.

Max Bikart ist am 10. Dezember 1957 in Argentinien gestorben.