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Biographien

Villinger und Schwenninger Schicksale

Viele der bisher in den Mahnwachen verlesenen Schicksale von Opfern des Nationalsozialismus in Villingen und Schwenningen sind hier, oder über die linke Seitenleiste auswählbar.

Alphabetisch geordnet






Lina Zaitschek (13.10.1868-08.09.1942)

Ich – Lina Zaitschek geb. Rosner, bin am 13 Oktober 1868 in Neu-Raussnitz geboren. Tochter von Leopold Rosner aus Neu-Raussnitz, heute Rousinov/Tschech.; ich lerne einen Haushalt zu führen, und bereits mit 21 Jahren werde ich mit Berthold Zaitschek am 14. Januar 1890 in Neu-Raussnitz verheiratet. Eine glückliche Ehe, aus der neun Kinder hervorgehen.

  • Ludwig, geb. 1890 in Damboritz, er stirbt bereits 1924 in Wien
  • Paul, geb. 1892 in Damboritz, er lebt in Brünn
  • Elsa, geb. 1893 in Damboritz, sie lebt bei mir in Villingen
  • Anna, geb. 1896 in Brünn, Ehefrau des Gerhard Fleischhacker aus Hildesheim
  • Benno, geb. 1899 in Damboritz, er stirbt bereits 1920 in Dortmund
  • Felix, geb. 1901 in Hagen i. W., er wohnt bei mir, bis er in die USA auswandert
  • Emmy, geb.1903 in Hagen i. W., sie wohnt bei mir
  • David, geb. 1906 in Hagen i. W. er wohnt bei mir bis zur Ausweisung 1938
  • Irma, geb.1910 in Hagen i. W., sie wohnt immer wieder mal bei mir bis zur Ausreise in die Schweiz 1938, dort wohnt sie in Lugano
Alle meine Söhne haben Talent zu Kaufleuten und gehen diesem Beruf nach.

Von meinen Töchtern heiratet Anna, wandert mit ihrem Mann in die USA aus; die Hochzeitspläne von Elsa zerschlägt die NS-Zeit. Sie kommt zurück zu mir und Emmy.

Nach der Auswanderung von Felix im Sommer 1938 sind wir drei hier zurückgeblieben. Anfang September 1938 erfolgt auch für uns die "Ausweisung" nach Brünn.

Ist es ersehnter Weggang von Villingen, Ausweisung oder nur als Zwischenaufenthalt für die geplante Auswanderung nach Amerika?

Eine Bankbestätigung und Bestätigung des Reisebüros für die Zahlung des Visums und der Ausreise liegen vor und wir sind im amerikanischen Konsulat in Stuttgart registriert.

Unsere Übersiedlung nach Brünn erfolgt, weil wir uns in Villingen nicht mehr sicher fühlen, zumal Felix vor seiner Emigration bedroht und geschlagen wird. Außerdem wird mir die Wohnung in Villingen gekündigt, weil ich Jüdin bin. Doch welche Wendung! Böhmen und Mähren als Protektorat, alle unsere Pläne sind zerschlagen. Elsa und Emmy werden schon früh deportiert. Ich höre nie wieder von ihnen.

Mich bringt man am 27. März 1942 nach Theresienstadt und am 8. September 1942 dort um. Mein Totenschein verrät die Täter. Dr. Josef Lustig stellt den Totenschein aus und bestätigt gleichzeitig die "Totenbeschau". Einen solchen "Doktor" gibt es in Theresienstadt nicht; vielmehr einen Häftling, über sein Leben ist wenig bekannt; vermutlich arbeitet er als einfacher Handelsangestellter. Zu spät versucht er aus seiner Heimat zu fliehen: Im Mai 1942 deportierte man ihn in das nahe gelegene Ghetto von Theresienstadt, wo Lustig seine künstlerischen Fähigkeiten entfaltet. Vor Ort schreibt er die satirischen Stücke "Prinz Bettliegend" und "Ben Akiba hat gelogen", inspiriert von den im Ghetto herrschenden schrecklichen Realitäten. Josef Lustig wird Anfang 1944 in Theresienstadt, kurz nach seinem 33. Geburtstag umgebracht – vermutlich so wie ich.