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Biographien

Villinger und Schwenninger Schicksale

Viele der bisher in den Mahnwachen verlesenen Schicksale von Opfern des Nationalsozialismus in Villingen und Schwenningen sind hier, oder über die linke Seitenleiste auswählbar.

Alphabetisch geordnet






Erich Garber (08.12.1932-?)

Ich bin am 08. Dezember 1932 in Karlsruhe geboren. Meine Eltern sind Amalie Gaber, geb. am 16. Juli 1912 in Czernowitz und Karl Hubschmann aus Krakau. Meine ältere Schwester Mary Gaber ist am 29. August 1930 in Dresden geboren und – wie ich – nach der Emigration unserer Mutter in die USA zunächst bei unserer Großmutter Janette. Doch diese verstirbt 1934. So kommen wir in Pflegefamilien, Mary nach München. Von dort wird sie am 13. März 1943 nach Auschwitz deportiert und umgebracht. Ich lese erst Jahrzehnte später im Gedenkbuch von ihrem Schicksal. Dort ist sie als "verschollen” eingetragen.

Ich komme als Pflegekind in die Familie Haberer nach Villingen. Ich muss allerdings aus ungeklärten Gründen Villingen bereits am 2. Juli 1940 verlassen und wohne bis zu meiner Deportation nach Gurs in einem Judenhaus in Heidelberg in der Bluntschlistr. 4.

Am 22. Oktober morgens dringt Gestapo in die Wohnung ein. Innerhalb einer halben Stunde müssen wir uns mit 282 anderen Juden aus Heidelberg zum Abtransport bereit machen. 100 Reichsmark und 50 Kilogramm Gepäck darf jeder mitnehmen. Soviel habe ich gar nicht. Keiner weiss, wohin es geht, Verwirrung, Angst und Verzweiflung herrscht bei uns wie bei den betroffenen Familien.

Ich habe Glück. Zunächst sehe ich meine Pflegeeltern wieder. Dann entgehe ich den Deportationen in den Osten. Bereits 8. Mai 1941 komme ich von Gurs ins jüdische Kinderheim Moissac. Als die Nazis auch auf dieses Kinderheim zugreifen, werde ich vom 11. November 1942 bis 30. November 1943 unter dem Namen Etienne Gerbier bei Bauernfamilien versteckt. Zurück im Kinderheim erlebe ich die Befreiung durch die Allierten. 1949/50 nach dem Schulabschluss verlasse ich das Kinderheim in Moissac, aber nicht das nun lieb gewonnene Frankreich. Am 19. Dezember 1953 heirate ich Mirelle Adias, wir haben zusammen drei Kinder.

1971 erlange ich die französische Staatsbürgerschaft.

Im Januar 1993 gehe ich in Rente. Viele Jahre davor war ich Repräsentant verschiedener Möbelfirmen. Seit 2004 lebe ich bei einer meiner Töchter in der Bretagne.

Villingen habe ich wiedergesehen. Dank des Einsatzes des Schwenniger Historikers Dr. Michael Zimmermann und des Villingers Ewald Merkle bei den örtlichen Kirchen und der Stadt kam es 2009 zur Einladung an die Juden aus Villingen und Schwenningen, die der Vernichtung durch die Nationalsozialisten entgehen konnten. Die Stadt hatte dazu neun ehemalige jüdische Einwohner eingeladen, um 70 Jahre nach der schlimmsten Epoche deutscher Geschichte eine "Geste der Menschlichkeit" auszusenden. Gekommen sind dann Rita Schwab, mit 85 Jahren so alt wie Merkle selbst:"Sie wollte noch einmal in ihre Heimat und ihre Bekannten treffen."; Joseph Haberer (79), der Sohn meiner Pflegeeltern, der die Stadt 1939 mit einem Kindertransport nach England verlassen konnte. Er sagte: "Bei allem, was mir widerfuhr und worüber ich weine, so liebe ich doch meine Heimat und freue mich auf Villingen." Ich war der dritte Besucher als Ziehsohn der Familie Haberer. Leider hatte die Stadt auch mehrere Absagen bekommen. Etwa von Heinz und Marga Schwarz. Während die Geschwister durch Flucht in die Schweiz entkommen konnten, wurden ihre Eltern im KZ vergast. Sie haben diese Erfahrung nicht verwunden. Auch für die Juden, die einst in Schwenningen wohnten, kommt die Einladung der Stadt zu spät. Die alten Menschen scheuen die Reisestrapazen.

Ich kehre mit vielen Erinnerungen in die Bretagne zurück.

Eric(h) Gaber ist dort vor wenigen Jahren verstorben.