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Biographien

Villinger und Schwenninger Schicksale

Viele der bisher in den Mahnwachen verlesenen Schicksale von Opfern des Nationalsozialismus in Villingen und Schwenningen sind hier, oder über die linke Seitenleiste auswählbar.

Alphabetisch geordnet






Jakob Katz (12.05.1875-20.02.1954)

Jakob Katz wurde am 12. Mai 1875 noch in Odessa geboren, wo über ein Drittel der Bevölkerung Juden waren. Seine Eltern verließen die Stadt in Richtung Westeuropa und wohnten seit 1876 in Württemberg. Er starb am 20. Februar 1954, im Alter von 78 Jahren, in New York. Jakob und Johanna heirateten am 27. Dezember 1902 in der Synagoge von Mühringen. Alice kam am 7. September 1903 auf die Welt, am 27. November 1906 ihr Bruder Willy. Beide wurden in Rottenburg am Neckar geboren, sind dort aufgewachsen und gingen dort auch auf die Schule. 1919 folgte der Umzug nach Villingen, wo die Familie in der Luisenstraße 9 wohnte. 1921 zogen sie dann von Villingen nach Schwenningen, weil Jakob Katz dort Gesellschafter bei der Firma Oskar Müller wurde.

1921 trat Jakob Katz bei der Firma Oskar Müller in Schwenningen als Gesellschafter ein. Die Firma, 1904 von Oskar Müller gegründet, stellte ursprünglich Batterien für kleinere und mittlere Geräte her. Anfang 1920 holte Oskar Müller seinen Bruder Hugo Müller und etwas später auch Jakob Katz in den Betrieb. Unter seiner maßgeblichen Mitwirkung als kaufmännischer Direktor und Vorstandsmitglied wurde der Betrieb erfolgreich in eine Aktiengesellschaft umgewandelt. Die Firma hieß von nun an Oskar Müller & Cie. AG. Oskar Müller, Hugo Müller und Jakob Katz waren die Hauptaktionäre. Letzterer war auch bei der Arbeiterschaft sehr beliebt: Die Firma zahlte zum Beispiel als einer der ersten Betriebe in Schwenningen seinen Mitarbeitern Weihnachtsgeld.

Die Produktpalette der Firma wurde durch die Herstellung von Zubehörteilen für Großuhren erweitert, die Batterieproduktion nach Augsburg ausgelagert, weshalb die Familie von 1927 bis Anfang 1934 in der Fuggerstadt lebte. Zurückgekehrt nach Schwenningen bezog die Familie ein Haus in der Mutzenbühlstraße 26. 1937 trat Jakob Katz von der Geschäftsleitung zurück und verkaufte seine Geschäftsanteile, um die Firma zu schützen. Grund war der zunehmende persönliche und politische Druck durch die Nationalsozialisten. Der Gedanke, die Firma zu schützen, war insofern nachvollziehbar, denn als ein zum Teil „nichtarischer“ Betrieb wäre das Unternehmen bei der Auftragserteilung benachteiligt worden.

Die Verfolgungsmaßnahmen der Nationalsozialisten wurden immer drastischer. Nach dem Novemberpogrom 1938 forderte das Finanzamt Rottweil von Jakob und Johanna Katz eine „Judenvermögensabgabe“ von 15.800 Reichsmark beziehungsweise 1.000 Reichsmark für die Ehefrau mit der Anmerkung, dass diese in vier Raten zahlbar sei. Später wurde noch eine fünfte Rate gefordert, die 25 % des angesetzten Vermögens entsprechen sollte. Jakob Katz bemühte sich um den Erlass der fünften Rate. Dafür nahm er sich Hilfe von Erich Dessauer aus Stuttgart. Jüdische Anwälte waren vom NS-Regime zu „Konsulenten“ herabgesetzt worden, außerdem durften sie nur noch für Juden arbeiten und diese durften nur noch die „Konsulenten“ für Rechtshilfe in Anspruch nehmen. Der Antrag auf Erlass wurde abgelehnt.

Im November 1939 wurde Jakob Katz für fünf Tage im Schwenninger Gefängnis in „Schutzhaft“ genommen. In der Regel war die Entlassung aus der Haft an die Zustimmung zur Auswanderung gebunden, was Jakob Katz dann auch in Angriff nahm. Allerdings wäre ohne die Bezahlung der fünften Rate der „Judenvermögensabgabe“ dem Ehepaar nicht gestattet worden auszuwandern, somit zahlte er diese im April 1940.

Er beauftragte die Speditionsfirma Barr, Moehring & Co., Stuttgart mit der Verpackung und Beförderung des Umzugsgutes. Am 12. Mai 1940 verließ das Ehepaar Katz endgültig die Stadt Schwenningen. Da Deutschland seit September 1939 im Kriegszustand mit den benachbarten Staaten war, legten kaum mehr ausländische Schiffe in Deutschlands Häfen an und die Durchreise durch Nachbarländer war dementsprechend problematisch. Jakob Katz hatte jedoch einen türkischen Pass, ausgestellt vom türkischen Konsulat in Berlin, was wohl durch seine Herkunft aus Odessa möglich war. Dies half ihm, obwohl er seit 1938 als staatenlos galt. Das Ehepaar reiste über die Schweiz in die italienische Hafenstadt Genua.

Ihr Sohn Willy Katz bezahlte 480 Dollar für die Überfahrt der Eltern bei der Schifffahrtsgesellschaft „United States Lines in New York City“. Dem Ehepaar war es nicht möglich, das Frachtgut anzufordern: Die Speditionsfirma gab am 25. November 1952 beim Wiedergutmachungsgericht an, dass es strenge Bestimmungen über jüdisches Eigentum gab, die die Verschiffung unmöglich machten. Außerdem seien die Sachen in der Nacht vom 21./22. Februar 1944 mit dem gesamten Lagerhaus durch einen Bombenschaden vernichtet worden. Immerhin musste die Speditionsfirma nach 1945 die Frachtkosten, die im Voraus bezahlt worden waren, zurückerstatten.

Oskar und Hugo Müller übertrugen nach dem Krieg Jakob Katz seinen Aktienanteil wieder zurück und zahlten sein Gehalt nach. Allerdings verweigerte daraufhin die Bundesrepublik Deutschland eine finanzielle Wiedergutmachung. Das Ehepaar Katz kehrte nicht mehr nach Deutschland zurück.

Jakob Katz äußerte den Wunsch, seine Freunde in Deutschland nochmal sehen zu können. Doch bevor sein Wunsch in Erfüllung gehen konnte, starb er am 20. Februar 1954 in New York. Die Mutter Johanna Katz starb acht Jahre später, 1962, ebenfalls in New York.